Die Biene als Botin des Göttlichen
Die Biene nimmt in der hinduistischen Mythologie eine besondere Stellung ein. In dieser Kultur ist sie nicht nur ein Insekt, sondern die Verkörperung höherer Prinzipien und Götter. Der Gott Krishna, eine der wichtigsten Inkarnationen Vishnus, wird mitunter mit einer schwarzen Biene auf der Stirn dargestellt – als Symbol für Liebe, Transzendenz und Fülle. In der Mythologie der Göttin Bhramari Devi symbolisiert die Biene zudem weibliche Kraft, Zerstörung und Schutz. Auch in anderen Kontexten erscheint die heilige Biene in Mantras und Gedichten. So wird sie beispielsweise im Rigveda als Botin der Götter erwähnt, die Botschaften aus höheren Sphären überbringt. Im tibetischen Buddhismus steht die Biene für waches Bewusstsein, Konzentration und Weisheit.
Die Bedeutung von Honig und des Bienenstocks
... in Indien
Honig gilt als reine und gesegnete Substanz und wird in religiösen Kontexten bei Initiationszeremonien, Hochzeiten und der Krönung von Königen verwendet. Der Bienenstock symbolisiert Ordnung, gemeinsames Arbeiten und harmonisches Zusammenleben und ist ein Modell einer idealen Gesellschaft, in der jeder Einzelne eine Rolle spielt.
... im antiken Griechenland
Ein Geschenk der Götter und ein Symbol der Inspiration:
Bei den alten Griechen nahm die Biene eine wichtige spirituelle und prophetische Stellung ein. Der Mythologie zufolge wurden Bienen den Menschen von den Göttern geschenkt und galten als Boten von Demeter (der Göttin des Getreides) und Artemis (der Göttin der Natur und der Jagd). Die Biene wurde mit der Seele gleichgesetzt, und man glaubte, dass die Seelen der Verstorbenen in Gestalt einer Biene umherwanderten. Das Orakel von Delphi, eine der wichtigsten religiösen Institutionen Griechenlands, galt als der Ort, an dem „prophetische Bienen“ den Delphiern Botschaften der Götter zuflüsterten. Sogar der Titel „Königin“ der delphischen Priesterschaft leitet sich vom griechischen Wort für Biene – Melissa – ab.
Honig als Speise der Götter:
Honig war ein zentraler Bestandteil der Götterspeise, der sogenannten „Ambrosia“, und galt als Quelle ewigen Lebens und ewiger Gesundheit. In den Mythen verlieh der Genuss von Honig Weisheit, Erkenntnis und prophetische Gabe.
... im alten Ägypten
Die Biene als Symbol der Königswürde und kosmischer Macht: In Ägypten war die Biene eines der Symbole des Pharaos, der als „König der Bienen und Oberägyptens“ verehrt wurde. Honig galt als reines Lebensmittel und wurde mit den Göttern, insbesondere mit dem Sonnengott Ra, in Verbindung gebracht. Der Mythologie zufolge verwandelten sich die Tränen des Sonnengottes Ra in Bienen. Die Biene war auch mit der Idee der Auferstehung und des Lebens nach dem Tod verbunden. Honig und seine Zubereitungen galten als Nahrungsmittel, die der Seele den Übergang ins Jenseits erleichterten. Die Ägypter schätzten die Bienen für ihre Ordnung im Bienenstock und ihre Treue zur Königin. Honig wurde für Opfergaben, Einbalsamierungen und zur Heilung verwendet.
... in Mesopotamien und Kanaan
Mesopotamien : Babylon, Sumer, Assyrien:
Anders als in Ägypten gibt es in altmesopotamischen Quellen (sumerisch oder assyrisch) keine expliziten Belege für Bienenhaltung (Bienenstöcke). Der Grund dafür ist vermutlich klimatisch bedingt: Das mesopotamische Tiefland ist sehr heiß und trocken und weist nur wenige blühende Gebiete auf. Es gibt jedoch deutliche Hinweise darauf, dass die Menschen Honig kannten und nutzten. Akkadische Texte aus dem 18. Jahrhundert v. Chr. (der Hammurabi-Zeit) erwähnen den Begriff „nishtu“ (Honig), offenbar sowohl Dattel- als auch Bienenhonig. Forscher vermuten, dass der Begriff für beides verwendet wurde.
Symbole und Spiritualität:
Es wurden keine eindeutigen Beweise für Bienenverehrung gefunden, doch es gibt indirekte mythologische Verbindungen: Die Göttin Inanna Ishtar, Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, wird mit Süße und Blumen in Verbindung gebracht, und der Geist des Frühlings wird mitunter als „Mutter der Süße“ bezeichnet. Gelehrte vermuten, dass Bienen Teil ihrer Symbolik waren, ähnlich wie bei vergleichbaren Göttinnen der Ägäis (Demeter, Artemis). In Mythen der Fruchtbarkeit und Erneuerung (wie dem „Abstieg in die Unterwelt“) erscheinen Bilder von „Tieren, die Süße bringen“, die möglicherweise mit Bienen in Verbindung stehen.
Honig in Medizin und Zeremonien:
In mesopotamischen medizinischen Texten (wie den Nippur-Briefen) finden sich Rezepte für Arzneien, die Honig mit Pflanzen, Ölen und Wein kombinierten. Honig galt als Heilmittel, Konservierungsmittel und mitunter auch als „Spirituosensüßungsmittel“.
Bienenwachs:
Verwendung in Kunst und Technik, insbesondere für Metallgüsse aus Bienenwachs. Diese Methode war bereits im dritten Jahrtausend v. Chr. bekannt.
... in Kanaan und dem antiken Israel
Ein spektakulärer archäologischer Fund – Tel Rehov:
Im Jahr 2007 wurde in Tel Rehov (im Jordantal) der größte und älteste 3000 Jahre alte Bienenzuchtkomplex entdeckt, der bisher im Mittelmeerraum gefunden wurde. Er besteht aus etwa 30 Lehmbeuten mit Wachsresten und Bienen der anatolischen Honigbiene (Apis mellifera anatoliaca). Dies deutet auf regionalen Handel hin – den Import von Bienen aus Kleinasien. Honig galt demnach als so wertvoll, dass Bienen von außerhalb eingeführt wurden. Die Beuten hatten die Form von Lehmzylindern mit einer kleinen Öffnung an der Vorderseite und einer verschlossenen Rückseite, fast identisch mit den bis heute im Mittelmeerraum üblichen Bienenstöcken. In den alten kanaanäischen Sprachen finden sich Wurzeln, die mit der Biene in Verbindung stehen. Das Wort „Biene“ selbst erscheint in der ugaritischen Sprache (dbrr). In der kanaanäischen Welt wurde das Bild der Biene möglicherweise mit den Göttinnen Ishtaret/Anat, Göttinnen der Fruchtbarkeit und des Krieges, in Verbindung gebracht. Wie in Ägypten und Mesopotamien ist auch hier die Frau, die nährt und zugleich sticht, eine Schlüsselfigur. Die Biene bringt Fülle, aber auch Grenzen (Stachel). Sie gilt als Symbol für Prophezeiung, Schöpfung, Fleiß und weibliche Stimme.
Honig in biblischen Quellen:
In der Bibel erscheint „Honig“ dutzende Male, meist als Symbol für ein gesegnetes Land, „ein Land, in dem Milch und Honig fließen“. Die meisten Gelehrten gehen jedoch davon aus, dass sich einige dieser Stellen auf Dattelhonig und nicht auf Bienenhonig beziehen. Bei zeremoniellen Anlässen (wie Opfergaben oder dem Verbot, Honig auf dem Altar darzubringen, 3. Mose 2,11) könnte jedoch Bienenhonig gemeint sein.
Honig als königliche Delikatesse:
Honig galt als ein Geschenk an Könige (1. Samuel 14), ein Heilmittel (Sprüche 16,24) und ein Symbol der Weisheit: „Honig und den Nektar der Sterne hast du auf der Zunge“ (Hohelied 4,11).
Bienenwachs:
Bienenwachs wurde zur Herstellung von Kerzen, Salben und Parfums verwendet.
Weiteres:
Der Name „Debora“ (wie die Prophetin Debora) leitet sich wahrscheinlich von dieser Wurzel ab und bedeutet „Sprecherin, Prophetin“ – könnte aber auch „die Stechende“ bedeuten. Manche Gelehrte vermuten, dass der Name „Debora“ kein Zufall ist: Die Prophetin Deborah saß „unter der Palme Deborahs“ – eine Verbindung von Baum (Fruchtbarkeit) und Biene (weibliche Kraft).
In der Zeit des Zweiten Tempels wurde Honig in Medizin und Kosmetik verwendet, jedoch nicht als Opfergabe.
Während der byzantinischen und frühislamischen Zeit verbreitete sich die Imkerei in den feuchteren Regionen der Levante erneut.
In späteren Texten (Midraschim, Rabbinen) wird die Biene als „weises Geschöpf“ und Beispiel für ein fleißiges Volk betrachtet. Die Biene wird in der Bibel nicht direkt als göttliches Geschöpf erwähnt, doch das Honigmotiv besitzt eine starke symbolische Bedeutung. „Ein Land, in dem Milch und Honig fließen“ symbolisiert göttliche Verheißung und Fülle. Verschiedene talmudische Traktate beschreiben ausführlich das Leben der Bienen und ihren Fleiß.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Bienen haben den Menschen durch die Geschichte hindurch begleitet, nicht nur aufgrund ihrer Beiträge zum Umweltschutz und zur Landwirtschaft, sondern auch als Quelle spiritueller, religiöser und kultureller Inspiration. Die Verehrung der Bienen, die sie als göttliche Boten betrachtet, spiegelt die tiefe Wertschätzung für sie als Brücke zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt, als soziales Vorbild und als Quelle von Fülle und Weisheit wider. In der heutigen Zeit wird der Schutz der Bienen immer dringlicher, nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch als kultureller Wert und existenzielles Symbol.
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